Eine traurige Geschichte

9. März 2011

Es war einmal ein schöner Sommertag.
An diesem schönen Tag ging eine schöne Frau mit einem schönen Mann spazieren.
... durch einen schönen Wald. Sie unterhielten sich und standen, sie guckten und saßen. Ein Bächlein rann an ihnen vorbei, ein Gehölz raschelte.
Sie: "Was ist das denn!?"
Er: "Äh.... Ich glaube eine Schildkröte!"
Sie: "Ob die schwimmen kann?"
Sie setzte die Schildkröte ins Wasser. Die blubberte und strampelte...
Er: "Die arme!"
Sie: "Ich rette sie!"
Sie nahm das gestresste Reptil mit zu sich nach Hause. Es fauchte und schnaubte und blähte den Hals. Die schöne Frau taufte das Tier auf den Namen "Fauchi", richtete ein Terrarium mit Heu und Hamsterspäne ein, und gab ihm Salat und Äpfel zu fressen.
Zu etwa dieser Zeit zog der Vater meiner Tochter in dieses Haus und begann die schöne Frau zu lieben. Meine Tochter war zu höchst begeistert und kümmerte sich und erzählte "Fauchi hier, Fauchi da!"
Der Sommer ging, der Herbst kam.
Ich erzählte den dreien, daß Schildkröten Winterruhe halten. Das sei wichtig. Sie sollten einen Arzt aufsuchen und besprechen was zu tun wäre. Sie brachte es nicht übers Herz, er ergab sich. Fauchi verbrachte den Winter im Terrarium oder auf dem Sofa. Man ließ ihn auf dem Fußboden laufen und der Katze nachjagen. Es gab reichlich Früchte und Katzenfutter zu essen. Fauchi wuchs und wuchs, der Panzer verformte sich.
Ich erzählte, daß Schildkröten auf keinen Fall Fleisch essen sollen. Der Darm! Denkt an den Darm! Es ist viel zu viel Eiweiß im Fleisch. Und die Früchte! Bitte gebt ihm keine Bananen, Äpfel und all diese Dinge. Es ist viel zu viel Zucker in den Früchten. Denkt doch an den Darm!
"Aber er frisst es doch so gerne!" sagte die schöne Frau.
Der Winter ging, der Frühling kam.
Fauchi durfte wieder im Garten wohnen. Der schöne große Garten. Fauchi grub sich Wohnhöhlen, badete im Klee, genoß die Sonne und das Leben. Ebenso nistete sich mein Kind in diesem Garten ein. Sie erlebten den Sommer zusammen und kamen sich näher. Das Kind schlief in der Abendsonne, und Die Schildkröte schlief in ihrer Armbeuge.
Der Sommer ging, der Herbst kam...
Alles wiederholte sich. Mittlerweile bekam Fauchi auch kleine Kochreste zu essen. kleine abgeschnitte Putenfleischstückchen die gleich in die Pfanne sollten. Der Panzer verformte sich immer mehr, Fauchi wurde immer träger.
Drei Jahre ging es so. Mir blutete das Herz.
Im Januar sagte die schöne Frau: "Im Mai kommt mein Baby zur Welt. Da hab ich bestimmt viel zu tun. Und irgendwie habe ich festgestellt, daß so eine Schildkröte irgendwie nicht so mein Haustier ist...  Ich glaube, ich bringe sie wieder in den Wald."
Bis jetzt bin ich entsetzt und sprachlos. Das Kind weinte und flehte: "Fauchi stirbt im Wald! Bitte hol ihn zu uns nach Hause! Bitte..."
Seit Ende Januar wohnt Fauchi nun bei uns. Es geht ihm schlecht. Ich habe die Hamsterspäne durch Terrarienstreu ausgetauscht, es gibt Salat und Gurke und Schildkrötenpellets zu essen. Fauchi hat ein kleines Schlafhäuschen im Terrarium, und er wurde zusehends agiler. Mittlerweile hat er einen guten Bezug zu mir. Wir haben eine passende Kommunikationsebene gefunden, und er reagiert sogar auf seinen Namen. Manchmal boxt er mich oder versucht mir in den Finger zu beißen. Und manchmal lege ich mich zu ihm auf den Fußboden, und er reibt seinen kleinen Kopf an meiner Nase oder schläft an meinem Hals ein. Das Kind ist froh und erleichtert und irgendwie stolz.
Dennoch merkt man deutlich, daß Fauchi nicht ganz gesund ist. Und heute... Heute hatte Fauchi einen Darmvorfall. Es war eine Qual. Offensichtlich war das ganze sehr schmerzvoll. Fauchi wagte es nicht seinen Panzer auf den Boden zu legen, stand wackelig auf "Zehenspitzen" da und fauchte. Ich nahm ihn hoch und half ihm mit einer Massage. Beim Tierarzt stellte sich heraus, daß ein schlimmer Darmverschluß vorliegt. Auslöser ist ein Fremdkörper im Darm, wahrscheinlich Hamsterspäne. Durch falsche Ernährung und fehlende Winterruhe, sind die inneren Organe, insbesondere der Darm stark geschwächt. Der Fremdkörper konnte nicht abtransportiert werden. Nun bekommt Fauchi Antibiotika und Paraffinöl, und es besteht Lebensgefahr. Am Samstag ist der nächste Tierarzttermin, und ich bete. Ich bete nicht oft, aber jetzt tu ichs.
Ich wünschte, die schöne Frau hätte dieses Leid gesehen. Ich befürchte aber, daß sie auf diesem Auge blind ist.

Wir wollen Fauchi nicht verlieren.

 
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